Buchheim

"Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir. Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde" -Hildegunst von Mythenmetz

Samstag, Januar 12, 2013

Weltpolitik im vierten Hinterhof

Immer mal wieder gibt es ja sowohl filmisch als auch literarisch Versuche, Geschichte durch Geschichten zu erzählen. Da eine gewisse historische Allgemeinbildung durchaus wünschenswert ist, nur die wenigsten Menschen aber in ihrer Freizeit die Muße haben, regelmäßig entsprechende Fachliteratur zu lesen, halte ich das prinzipiell durchaus für einen sinnvollen Ansatz.  
Kürzlich habe ich allerdings im Fernsehen einen außerordentlich mißlungenen Versuch erlebt,  Zeitgeschichte  anhand fiktiver Biographien zu erzählen- für die zahlreichen Gründe, warum mich der Dreiteiler so ärgerte, ist hier nicht der richtige Ort, im Grunde ist mit der Bezeichnung "Breitwandschlonz" alles gesagt.

Aber ich möchte das zum Anlaß nehmen, 

"Die Trilogie der Wendepunkte" von Klaus Kordon

zu empfehlen, welche in etwa denselben Zeitrahmen beschreibt. "Die roten Matrosen" (1918/19), "Mit dem Rücken zur Wand" (1932/33) und "Der erste Frühling" (1945) beschreiben diese Wendepunkte der deutschen Geschichte durch die fiktive Familie Gebhardt, die im vierten Hinterhof der Ackerstrasse 37 im Berliner Wedding lebt. Kordon hat die Trilogie als Jugendbücher konzipiert und auch das Alter der Hauptprotagonisten entsprechend gewählt. Nichtsdestotrotz sind die Ereignisse aus Sicht des dreizehnjährigen Helle, des fünfzehnjährigen Hans und der zwölfjährigen Änne keinesfalls anspruchslos und auch für Erwachsene sehr interessant und anregend zu lesen.
Meines Erachtens ist es ein ganz wichtiger Faktor für das Gelingen dieser Romane, daß die Protagonisten "einfache" bzw. sogar sehr arme Menschen sind. Wirkliche Geschichte läßt sich nicht vermitteln, indem man sie auf dekorative Bilder der zahlenmäßig sehr kleinen priviligierten Oberschicht beschränkt. Es gab nur sehr wenige Menschen, für die beispielsweise die Zwanziger Jahre "golden" waren, mit Charleston, kurzen Kleidchen, sexueller Freizügigkeit und Zigarettenspitzen. Für die allermeisten bedeuteten sie Armut, Unsicherheit, Existenzangst, harte Arbeit und immer wieder Hunger.
Die Mitglieder der Familie Gebhardt werden gerade dadurch zu Helden, daß sie nicht perfekt sind, sich genauso irren, Fehler machen, sich streiten wie alle Menschen. Als Abschluß ein Zitat des Autors aus dem Vorwort des ersten Bandes:

"In der Ackerstrasse Nr. 37 leben die Helden dieser Geschichte. 
Sie sind frei erfunden- und haben doch gelebt."